Deutschland: Umsatzsteuerliche Behandlung von Sachspenden in Zeiten Corona

Publication by PwC Germany

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat zur Frage der Sachspenden von Unternehmern an Hilfsorganisationen und andere Abnehmer an einem Tag zwei Schreiben veröffentlicht: ein Schreiben, das sich in allgemeiner Weise mit Sach­spenden befasst und mit dem der Umsatzsteuer-Anwendungserlass (UStAE) er­gänzt wird (im Weiteren „erstes Schreiben“), sowie ein zeitlich in seiner Wirkung begrenztes Schreiben zu Sachspenden von Einzelhändlern an steuerbegünstigte Organisationen während des Zeitraums vom 1. März 2020 bis zum 31. Dezember 2021 („zweites Schreiben“).

Allgemeines

Nach Auffassung des BMF stellt eine Sachspende aus dem Unternehmensvermögen eine unentgeltliche Zuwendung dar, die einer Lieferung gegen Entgelt gleichgestellt ist und als unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b UStG der Umsatzsteuer unterliegt, sofern der (später gespendete) Gegenstand zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Damit solle der vorangegangene Vorsteuerabzug kompensiert und ein systemwidriger unversteuerter Letztverbrauch verhindert werden. Eine Möglichkeit, auf die Umsatzbesteuerung aus Billigkeitsgründen zu verzichten, sehe die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) nicht vor. Dabei bestimme sich die Bemessungsgrundlage einer Sachspende nicht nach den ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten, sondern nach dem fiktiven Einkaufspreis im Zeit­punkt der Spende. Das gelte auch für im Unternehmen selbst hergestellte Gegenstände.

Keine Sachspende in diesem Sinne sei der Verkauf eines Gegenstands weit unter dem ursprünglichen Einkaufspreis; außer in Fällen, in denen die Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 UStG, z. B. bei Verkauf an nahestehende Personen) zur Anwendung kommt, sei hier das tatsächliche Entgelt Bemess­ungsgrundlage für die Umsatzsteuer.

Zur Bemessungsgrundlage von Sachspenden

Im ersten Schreiben teilt das BMF mit, dass bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben nach einem fiktiven Einkaufspreis bzw. (in Ausnahmefällen) den Selbstkosten zum Zeitpunkt des Umsatzes auch zu berücksichtigen sei, ob Gegenstände zum Zeitpunkt der unentgeltlichen Wertab­gabe aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht mehr oder nur noch stark eingeschränkt verkehrsfähig sind. Es könne dann eine im Vergleich zu verkehrsfähiger Ware geminderte Bemessungsgrundlage angesetzt werden. Diese Minderung sei im Umfang der Einschränkung der Verkehrsfähigkeit vorzunehmen.

Nur bei wertloser Ware komme der Ansatz einer Bemessungsgrundlage von null Euro in Betracht. Als Bei­spiele für wertlose Ware nennt das BMF Lebensmittel und Non-Food-Artikel kurz vor Ablauf des Mindest­halt­barkeitsdatums. Infrage kommen auch Frischwaren, bei denen die Verkaufsfähigkeit nicht mehr gege­ben ist. Wie das BMF an anderer Stelle mitteilt, sind damit Frischwaren wie Backwaren, Obst und Gemüse mit Mängeln gemeint. Als Beispiele für Non-Food-Artikel mit Mindesthaltbarkeitsdatum nennt das BMF Kos­metika, Drogerieartikel, pharmazeutische Artikel, Tierfutter oder Bauchemieprodukte wie Silikon oder Be­schichtungen sowie Blumen und andere verderbliche Waren.

Bei anderen Gegenständen könne die Verkehrsfähigkeit eingeschränkt sein, wenn diese aufgrund von er­heblichen Material- oder Verpackungsfehlern (z. B. Befüllungsfehler, Falschetikettierung, beschädigte Re­touren) oder fehlender Marktgängigkeit (z. B. Vorjahresware oder saisonale Ware wie Weihnachts- oder Osterartikel) nicht mehr oder nur noch schwer verkäuflich sind. Würden solche Gegenstände im Rahmen einer unentgeltlichen Wertabgabe abgegeben (z. B. als Spende), könne eine im Vergleich zu noch ver­kehrs­fähiger Ware geminderte Bemessungsgrundlage angesetzt werden.

Nach Meinung des BMF liegt aber eine eingeschränkte Verkehrsfähigkeit insbesondere dann nicht vor, wenn Neuware ohne jegliche Beeinträchtigung aus wirtschaftlichen oder logistischen Gründen aus dem Warenverkehr ausgesondert wird. Auch wenn diese Neuware ansonsten vernichtet werden würde, weil zum Beispiel Verpackungen beschädigt sind, bei Bekleidung deutliche Spuren einer Anprobe erkennbar sind oder Ware verschmutzt ist, ohne dass sie beschädigt ist, führe dies nicht dazu, dass die Neuware ihre Verkaufsfähigkeit vollständig verliert. Ein fiktiver Einkaufspreis anhand objektiver Schätzungsunterlagen sei auch in diesen Fällen zu ermitteln.

Die Grundsätze des ersten Schreibens seien, so das BMF, in allen offenen Fällen anzuwenden.

Sachspenden von Einzelhändlern an steuerbegünstigte Organisationen in Zusammenhang mit der Coronakrise

Das BMF teilt im zweiten Schreiben mit, dass die Coronapandemie in Bezug auf Sachspenden zu einer einzigartigen Sondersituation geführt habe. Infolge dieser Sondersituation habe sich vor allem Saisonware in einmalig großen Mengen in den Lagern der Einzelhändler angestaut, die jetzt nur noch schwerlich abzu­setzen ist. Flankierend zum ersten Schreiben und begleitend zu weiteren staatlichen Hilfsmaßnahmen werde daher eine befristete Billigkeitsregelung für Sachspenden gewährt. Danach werde bei Waren, die von Einzel­händ­lern, die durch die Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffen sind, an steuerbegünstigte Organisationen gespendet werden bzw. gespendet worden sind, auf die Besteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe verzichtet. Diese Regelung gelte nur für Spenden, die zwischen dem 1. März 2020 und dem 31. Dezember 2021 erfolgt sind.

Hinweise

Zwar schließt das BMF den Ansatz einer Bemessungsgrundlage mit null Euro bei „anderen Gegenständen“ nicht kategorisch aus, weil die oben angesprochenen Lebensmittel bzw. Non-Food-Artikel mit Mindesthalt­barkeitsdatum nur beispielhaft als „wertlose“ Ware bezeichnet werden. Allerdings kann – wie sich aus den Ausführungen des BMF zur eingeschränkten Verkehrsfähigkeit ergibt – bei den anderen Gegenständen offenbar keineswegs davon ausgegangen werden, dass die Bemessungsgrundlage (und damit die Umsatz­steu­er) ohne Weiteres mit null Euro angesetzt werden kann. Als Regelfall ist zumindest bei „anderen Ge­gen­ständen“ lediglich eine Minderung der Bemessungsgrundlage (und damit eine mehr oder minder hohe Herabsetzung der Steuer) vorgesehen. Implizit ergibt sich aus den Äußerungen des BMF zudem, dass Lebensmittelartikel mit Beschädigung nicht schlechthin mit einer Bemessungsgrundlage von null Euro an­gesetzt werden können – so etwa im Falle eingedellter Verpackungen von Lebensmitteln, deren Mindest­haltbarkeitsdatum nicht demnächst abläuft. Die Ausführungen des BMF im zweiten Schreiben, mit denen es anklingen lässt, dass es mit der Neuregelung der Bemessungsgrundlage für Sachspenden im UStAE seiner Meinung nach be­reits größtmögliches Entgegenkommen gezeigt habe, lassen gleichfalls durchblicken, dass eine zu weither­zige Auslegung der Neuregelung in Hinblick auf eine Geringer- oder Nichtbesteuerung von Sachspenden bei den Finanzbehörden nicht zwangsläufig auf Gegenliebe stoßen dürfte. Das Schrei­ben sollte daher nicht als Freibrief für eine steuerfreie Abgabe von Sachspenden verstanden werden. Wo außer in den vom BMF ausdrücklich vorgesehenen Fällen dennoch ein Ansatz der Bemess­ungs­grundlage (und Steuer) mit null Euro erfolgen soll, sollte daher besonders überzeugend begründet werden kön­nen, weshalb die Verkaufsfähigkeit entgegen der pauschalen Annahme des BMF völlig verloren gegangen ist. Nicht nur in solchen Fällen, sondern auch bei einer beabsichtigten Minderung der Bemessungsgrund­lage sollte in Abstimmung mit dem Finanzamt gehandelt werden: Denn auch ein nach Auffassung der Finanz­behörden zu niedriger Ansatz der Bemessungsgrundlage könnte zur Nacherhebung von Steuer führen. Eine solche Abstimmung ist auch in Hinblick auf die nötigen (im BMF-Schreiben nicht angesprochenen) Nachweise zu empfehlen. Wurde die Ware erst einmal gespendet, dürften vor­handene Beschädigungen und dergleichen nicht mehr leicht nachzuweisen sein.

Auch sonst sollten Unternehmen bei der Abgabe von Gegenständen Vorsicht walten lassen: Die „Hingabe als Spende“ wird in dem in den UStAE eingefügten Text zwar nur beispielhaft erwähnt – es bleibt aber gleichwohl der Umstand, dass das BMF-Schreiben gleich mehrfach von „Sachspenden“ spricht, sodass eine Abgabe von Waren an allzu beliebige Abnehmer zu Diskussionen führen könnte.

Ausgangspunkt des Schreibens, das die Sonderregelung für die Coronazeit enthält, scheint wegen des Hinweises auf die angestaute Saisonware offenbar der Wunsch zu sein, einer infolge der besonderen Um­stände beispiellos breit angelegten Vernichtung von tadellosen bis brauchbaren Waren vorzubeugen: Es soll nicht lohnender sein, Waren zu vernichten, als sie zu spenden. Das BMF wendet sich an „durch die Corona-Krise unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich betroffene“ Einzelhändler. Ähnliche Formulierungen finden sich zum Beispiel im BMF-Schreiben vom 19. März 2020 („nachweislich unmittelbar und nicht unerheblich betroffene Steuerpflichtige“) oder in den „FAQ Corona“ mit Stand vom 31. März 2021 („unmittelbar und nicht unerheblich negativ wirtschaftlich von der Corona-Krise betroffen“, vgl. dort auch Ab­schnitt X.19). Dies ist ein Fingerzeig, dass sich vor allem Unternehmer angesprochen fühlen können, die Stundungs- und andere Maßnahmen nach diesen Schreiben in Anspruch nehmen konnten. Auch in ande­rer Hinsicht weist die Son­derregelung für die Coro­na­zeit einige Unterschiede zu den allgemeinen Regeln auf: Einerseits ist hier lediglich von Einzelhändlern und nicht von Unternehmern allgemein die Rede, eine Unterscheidung nach Lebensmitteln, Non-Food-Artikeln, Grad der Verkehrsfähigkeit usw. erfolgt nicht (auf bestehende Regelungen wie beispielsweise Abschnitt X.4 der „FAQ Corona“ zur Bereitstellung medizini­scher Bedarfsgegenstände wie zum Beispiel Schutzkleidung, Schutzmasken, Arzneimittel, Desinfektions­mittel, Beatmungsgeräte an bestimmte Einrich­tungen sei aber besonders hingewiesen). Andererseits muss die Spende an steuerbegünstigte Organisati­onen erfolgen − das sollte also nachgewiesen werden können. Allerdings macht das BMF zur Art der Steuer­begünstigung keine Angaben. Auch das ist ein Grund, vor Abgabe von Spenden eine Abstimmung mit dem Finanzamt zu suchen.

Fundstellen

BMF-Schreiben vom 18. März 2021 zur Bemessungsgrundlage bei Sachspenden („erstes Schreiben“) und vom selben Datum zum Verzicht der Umsatzbesteuerung von Sachspenden von Einzelhändlern an steuer­begünstigte Organisationen vom 1. März 2020 bis zum 31. Dezember 2021 („zweites Schreiben“)

BMF-Schreiben vom 19. März 2020 zu steuerlichen Maßnahmen zur Berücksichtigung der Auswirkungen des Coronavirus mit jüngster Ergänzung vom 18. März 2021, „FAQ Corona“ mit Stand vom 31. März 2021

Bei Fragen oder für weitere Informationen wenden Sie sich an Frank Gehring, frank.gehring@pwc.com.

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