Berufsleben – Anerkennung

Ich bin lange im Geschäft. Nicht ewig aber schon ziemlich lange. Diesen September habe ich mein 20jähriges Jubiläum der Betriebszugehörigkeit gehabt. Ich hätte gerne gesagt gefeiert, aber das wäre gelogen gewesen, weil es keine Feier gab. 20 Jahre den gleichen Arbeitgeber zu haben, das ist heutzutage eine gefühlte Ewigkeit. Ich hätte es selbst nicht mal bemerkt, hätte ich nicht eines schönen Tages auf meinem Pult eine Box mit Wein gefunden.

 

Erst dachte ich, da will sich ein Kunde, dem ich massgeblich zum Erfolg beigetragen habe, bedanken. Aber das kommt im meiner beruflichen Realität so gut wie nie vor. Ich mag mich an ein paar Blumensträusse erinnern, als ich erfolgreich schwierige Fälle abgeschlossen hatte, aber diese Blumensträusse könnte man auf den Fingern beider Hände abzählen. Das ist in etwa ein Blumenstrauss alle zwei Jahre und die letzten Jahre waren sehr mager. Und das Ausbleiben kann nicht an der fehlenden Anzahl erfolgreich abgeschlossener Fälle liegen.

Ich habe also den Wein gefunden und mich gewundert, warum dieser wohl den Weg auf meinen Tisch fand. Dann habe ich die Karte gesehen. Da ist mir in den Sinn gekommen, dass ich so eine Box schon vor Jahren bekommen hatte und das war zum 10jährigen Jubiläum gewesen. Habe ich mich gefreut? Wenn ich ehrlich sein soll, nicht wirklich. Ich trinke Wein gerne aber ausschliesslich auswärts und mit Freunden. Zu Hause trinke ich mittlerweile so gut wie gar keinen Alkohol. Es ist ein guter Wein, den ich lagern kann und vielleicht können ihn meine Erben eines schönen Tages an einer Weinbörse gewinnbringend veräussern.

Ich will nicht undankbar sein. Ich habe mich schon gefreut ein Geschenk zu bekommen, aber wenn ich ehrlich bin, wäre mir lieber wenn jemand vorbei gekommen wäre, mir gesagt hätte: „Toll, dass du bei bereits 20 Jahre bei uns bist. Wir schätzen deine Arbeit und sind froh, dass du da bist und weiterhin bleibst.“

Gleichzeitig musste ich mich aber selbst an der Nase nehmen. Moment mal, weiss ich, wie lange meine Leute bei mir arbeiten? Weiss ich, wann sie ein Jubiläum feiern? Ehrlich gesagt, nein und ich musste mir eine Datenbank zulegen, um es zu überwachen. Da ich es selber nicht geschafft habe, den eigenen Leuten bei Jubiläen zu gratulieren, kann ich es aber auch von niemandem erwarten. Es geht aber schon um Wertschätzung und die ist vom Jubiläum unabhängig. Zeige ich genügend, dass ich die Arbeit der anderen schätze? Wohl nicht ausreichend. Sage ich oft genug, wie wertvoll ich den Beitrag der anderen finde? Sicher nicht konsequent. Verbesserungspotential en masse. Ich habe mir somit wieder mal vorgenommen, mehr darauf zu achten und den Leuten öfters zu sagen, wie ich ihre Arbeit schätze und bewundere.

Ich arbeite mit fantastischen Leuten, mit Ausnahmetalenten, denen man nur einmal im Leben begegnet und ich habe das unheimliche Glück von ihnen fast jeden Tag etwas Neues zu lernen. Früher hatte ich den Anspruch gehabt, selbst das beste Wissen, das beste Vorgehen, die erfolgreichste Anwendung mitbringen zu können. Diese Zeiten sind längst vorbei. Ich habe schon vor Jahren realisiert, dass man nur in einem Team mit sehr unterschiedlichen Talenten, Fähigkeiten, Wissen und Erfahrung bei der Komplexität der heutigen Welt erfolgreich sein kann. Ich arbeite mit Leuten mit den unterschiedlichsten Ausbildungen vom Jurist, über Ökonomen, Chemiker, Physiker, Mathematiker zusammen und man konnte die Reihe noch lange fortsetzen. Viele meiner Mitarbeiter können Dinge, die ich nicht kann. Dinge, in denen sie mir haushoch überlegen sind. Das hat es vor 10 Jahren nicht gegeben, heute ist es der Normalfall.

Mit 18 dachte ich, ich bin die Beste. Mittlerweile bin ich sehr bescheiden und demütig was das eigene Können anbetrifft. Ich bin umgeben von kritischen, kreativen Leuten, die oft eine andere Meinung haben als ich. Dank diesen unterschiedlichen Meinungen und der Tatsache, dass der Chef NICHT immer Recht hat bewegen wir unglaubliche Dinge und gestalten die Zukunft in unserem Bereich, wie ich es mir in der Vergangenheit nie hätte vorstellen können. Früher ging es um das Gesetz, seine Interpretation, um Excel Tabellen, verhandeln. Heute kommen dazu Prozesse, Strategien, Rollen und Verantwortlichkeiten, Datenanalysen. Es geht um Technologie – kluge Software, die in Sekunden absolut zuverlässig das macht, was man vor 10 Jahren tagelang mit kleinen Fehler gemacht hatte.

Ich hätte mir an Anfang meine Karriere gewünscht, dass meine Kollegen, meine Mitarbeiter mir ewig erhalten bleiben. Das ist leider nicht die Realität. Obwohl einige mit mir schon mehr als eine Dekade zusammenarbeiten, ist es eher die Regel, dass sie mich aus unterschiedlichen Gründen verlassen. Früher hat es mir sehr weh getan. Ich investierte in Jemand, schwitze Blut um aus ihm/ihr das Beste herausholen und wenn es soweit ist, ist die Person weggegangen, um irgendwo anders, noch mehr zu lernen. Vor 15 Jahren war es für mich fast wie Verrat an der gemeinsamen Sache. Aber schon lange habe ich verstanden, dass es eigentlich eine Ehre ist und eine Bereicherung, dass so unterschiedliche Leute mit mir eine Zeitlang im Berufsleben “mitgelaufen ” sind.

Das Resultat ist, dass nach 20 Jahren Tätigkeit meine ehemalige Kollegen, die ich angestellt und ausgebildet hatte, an vielen Orten in der Wirtschaft zu finden sind. Ein tolles Gefühl, dass einige von meinen Grundsätzen weiter in die Welt getragen wurden.

Ich mag mich erinnern, dass mir vor vielen Jahren einer meiner Chefs sagte, nach spätestens 5 Jahren müsse man den Job wechseln, bevor die Leichen aus dem Keller kommen. Das war für mich eine merkwürdige Strategie. Ich vertrete das Kredo, dass, falls ich aus irgendeinem Grund morgen nicht mehr zur Arbeit kommen sollte, alle wüssten, was zu tun sei und so etwas wie Leichen wären nicht zu finden.

Danke an alle mit denen ich in der Vergangenheit zusammenarbeiten konnte. Es war eine tolle Erfahrung, die mich weitergebracht hat. Ich freue mich auf die nächsten 10 Jahre.

Bildquelle: Roman Ibeschitz  / pixelio.de

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