Die Macht des Klanges

Laila litt unter dem Lockdown. Das Virus hat sie des sozialen Lebens beraubt und das hat ihr sehr zugesetzt. Mit Kolleginnen in einem Kaffee sitzen und über die Mode zu diskutieren, oder mit der Nachbarin auf ein Glas Prosecco bei dem Italiener in der Nachbarschaft vorbeizugehen. , mit Tante Marta bei Bäcker bei einem Stück Kuchen über die neusten Gerüchte aus der Familie zu diskutieren, das war Laila’s grösstes Vergnügen. Nichts davon ist übriggeblieben. Tante Marta fürchtete sich so sehr vor dem Virus, dass sie ihr Haus kaum verlässt. Die Nachbarin musste ihr Arbeitspensum aufstocken, da ihr Mann die Arbeitsstelle verloren hatte und für «ein bisschen Geschwätz» hatte sie gar keine Zeit.

Und die Kolleginnen verschwanden in alle Richtungen und waren unerreichbar.

Laila war verzweifelt. Es gab Tage, an denen sie mit keinem lebendigen Menschen gesprochen hatte (Telefonanrufe und Videochats zählte sie nicht dazu). Sie spazierte durch die Stadt, nur um Menschen zu sehen. Niemand scheint aber Lust und Mut zu haben anzuhalten und mit einer fremden Frau zu sprechen. Ab und zu realisierte sie, dass wenn sie sich jemandem zu sehr näherte, die Person dann versuchte mehr Abstand zu halten. Laila wurde schwermutig und den eigenen Tag zu füllen und zu organisieren fiel ihr zunehmend schwer. Das Licht am Ende des Tunnels sah sie nicht und der Glauben, dass sich alles zum Besseren wenden wird, fehlte ihr.

Was übriggeblieben ist, waren die Spaziergänge durch die Stadt und das Schaufenstershopping. Es war ein windiger Tag als Laila mit kleinen Schritten den grossen Platz überquerte und in die kleine Gasse abbog, in Richtung des kleinen Parks. Und in dem Moment hörte sie die Stimme einer Turteltaube. Nein, Turteltauben gab es dort wo sie wohnte, in diesem kleinen Städtchen, eigentlich nicht. Sie sah nichts aber hörte die unverwechselbare Vogelstimme. Es war eine Turteltaube. Es musste eine Ewigkeit her sein, seit sie das letzte Mal solch eine Stimme gehört hatte. Und als sie die Stimme hörte, tauchte vor ihrem inneren Auge ein anderer Park auf, der fast 200 Kilometer von hier entfernt ist. Sie war schon mindestens 40 Jahre nicht mehr da. In dem kleinen, weit entfernten Park war sie immer als sehr kleines Mädchen mit ihrer geliebten Grossmutter spazieren gegangen. Fast jeden Vormittag, wenn ihre Mutter arbeiten musste und sie in der Obhut der Grossmutter war. In dem kleinen Park haben die Turteltauben gelebt und Laila liebte ihre Rufe. Die Stimme des Vogels versetzte sie Jahrzehnte zurück, in die Zeit als sie ein kleines noch nicht Schulpflichten Mädchen war. In dem Moment bekam sie Lust auf Erdbeeren mit Schlagrahm. Etwas was sie eine Ewigkeit nicht mehr gegessen hatte. Sie war früher einmal pro Woche, jeweils nachdem sie mit ihrer Grossmutter im Park war, bei der Konditorei und hat mit grosser Vorliebe die Erdbeeren mit Schlagrahm gegessen.

Das alles sah sie jetzt so plastisch wie wenn es gestern gewesen wäre und nicht vor 70 Jahren. Sie spürte die Wärme der grossen warmen Hand ihrer Grossmutter. Wie sie ihre Hand hielt und in Mund hatte sie den Geschmack der Erdbeeren mit Sahne. Laila unterbrach ihr Spaziergang und ging direkt zum Coop. Sie kaufte sich eine Packung Erdbeeren und Schlagsahne und ging nach Hause. Die Schwermut war für heute Weg – die Rufe der Turteltaube, die die Erinnerungen der Vergangenheit zurückgeholt hatten, haben sie erfolgreich vertrieben.

Image source: http://unsplash.com

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