
Die Reise, um meine Mutter zu besuchen, hat eine ausgiebige strategische Planung vorausgesetzt. Sie wohnt nicht einmal 800 km von dem Ort entfernt, wo ich wohne. Es ist der gleiche Kontinent und mein Auto schafft den Weg mit einer Tankfüllung (das ist auch der Hauptgrund warum ich kein E-Mobil haben kann). Das Flugticket kostet ein lächerlicher Betrag und lässt sich kurzfristig buchen, aber ich kann nicht fliegen. Das Risiko einer Ansteckung ist schlicht zu gross und meine Mutter ist bald 80 Jahre alt. Darum bin ich gezwungenermassen ein Autofahrer, auch auf langen Strecken.
Meine Mutter wünscht sich nichts zu Weihnachten, ausser mit mir zu sein. Sie war noch nie in ihrem Leben an Weihnachten allein. Ein Wunsch der sich in Zeiten von Corona fast nicht erfüllen lässt. Letztes Mal habe ich meine Mutter in Sommer gesehen. Noch schlimmer ist, dass ich ihr mein Wort gegeben habe, dass sie mich ein Mal pro Monat sehen kann und dank allen Quarantänebestimmungen und Reiseeinschränkungen konnte ich mein Wort nicht halten.
Jetzt musste ich ein Plan erarbeiten, um mich vorzeitig zu isolieren und mögliche Ansteckungen zu vermeiden. Ich wollte sie besuchen und ihr den Weihnachtswunsch erfüllen, aber ich musste es so machen, dass ich sie nicht gefährde. Ein ziemlich anspruchsvolles Vorhaben. Das bedeutete Homeoffice, einsame Spaziergänge oder Sport im Freien und Verzicht auf vieles was ich gerne haben – Freunde, ein Treffen in Restaurant, Weihnachtseinkäufe, Besuche, Massage, Kinobesuch. Alles wurde gestrichen. Die Tage wurden Trist und dazu noch grauenhaft neblig. Mit dem Ziel vor Augen und viel Disziplin geht es. Es ist zäh, sehr zäh, aber es geht.
Ich liess mich zweimal innerhalb kurzer Zeit testen. Beide male mit dem Resultat: Negativ – was für eine Erleichterung. Der aller erste Test, den ich im Juni gemacht habe, als ich sie besucht habe, kostete 77 Franken, diese Tests kosten jetzt schon 140 pro Stück. Ich schenke mir zu Weihnachten ein Corona Test, dachte ich mir. Offensichtlich Angebot und Nachfrage, was die Preise nach oben treibt.
Dann verbrachte ich mehrere Stunden in Internet um mich durch alle die Bestimmungen der Länder, die für meine Reise relevant waren, durchzulesen und sie zu verstehen. Ich hatte eine Menge gespeichert, ausgedruckt und ausgefüllt. Ich kaufte ein, dass wir in Not mehrere Monate überleben konnte, packte warme Sachen ein für der Fall, dass ich irgendwo im Stau stecken bleiben würden und im Freien im Auto bei eisigen Temperaturen übernachten müssten. Endlich war ich so weit, das Auto beladen und ich konnte am Samstagmorgen losfahren.
Ich war für Schwierigkeiten jegliche Art vorbereitet. Auf eine Reise, die sich über mehrere Tage hinausziehen könnte und wo ich im Worst-Case-Szenario nicht mal das Auto verlassen könnte.
Nichts davon ist zum meinem grossen Erstaunen eingetroffen. Der Grenzübergang zwischen der Schweiz und Österreich war nur auf der Schweizer Seite besetzt, aber dort hat sich niemand für mich interessiert. Der Grenzübergang zwischen Österreich und Deutschland habe ich übersehen und auch der letzte Grenzübergang war menschenleer. Die Strassen waren ebenfalls fast leer, Probleme gab es zu meiner grossen Erleichterung gar keine.
Nach einer unglaublich kurzen Reisezeit stand ich vor dem Haus meiner Mutter und verbrachte viel Zeit damit das Auto auszuladen. Ich war unglaublich dankbar und erleichtert. Der unglaubliche Druck der letzten Wochen war weg. Ich habe es geschafft. Wir sind zusammen und bleiben es über Weihnachten.
Dieses Glück, das wir haben, haben viele dieses Jahr nicht. Noch am Freitag habe ich mich darüber unterhalten, dass ein Flug von UK nach Polen nur 4 Pfund kostet. Am Sonntag war klar, dass wer UK bis Sonntagmorgen nicht verlassen hatte (oder nicht eingereist ist) es mit grosser Wahrscheinlichkeit vielleicht bis Weihnachten gar nicht mehr schaffen wird. Jetzt wenn ich die Hand meiner Mutter in meiner Hand halte und wir uns erzählen, muss ich an alle die gestrandeten, unglücklichen, die ganz allein sein werden, denken. Es werden sehr spezielle Weihnachten dieses Jahr. Einfach werden sie nicht sein.
So wünsche ich uns allen, dass wir es gemeinsam in den Griff kriegen und uns im Jahr 2021 die kleinen (aber zurzeit nicht erfüllbare) Wünsche, erfüllen können.
Und danke an alle die mich bei der Reise zu meiner Mutter unterstützt haben. Ich schätze es sehr.
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