Leben in Zeiten des Coronavirus V

Es ist alles Leise geworden. Nur die Vögel nicht. Gott sei Dank. Am Morgen, wenn sie erwachen sind sie laut und gut zu hören. Die beste Musik zum frühen aufstehen. Alles anderes ist still. Die Züge fahren selten und ich höre keine Bremse quietschen, die Strassen haben sich geleert, es gibt keine grölenden Hockey oder Fussball Fans unter meinem Fenster. Die Disco in der Nähe ist verstummt und ihre lauten Besucher sind verschwunden. Wenn ich durch die leeren Strassen gehe, ist es meistens gespenstisch still für eine Stadt. Keine Musik, keine lauten Stimmen, kein Lachen, kein Streit, kein Hupen ungeduldiger Autofahrer.

Gestern als ich spät am Abend von meinem Spaziergang zurückgekehrt bin, hörte ich einen lauter Knall. Eine Flasche Champagner wurde geöffnet. Vielleicht eine Geburtstagsfeier. Ich bin von dem lauten Knall erschrocken in dieser Stille. Vor einem Monat hätte ich es wahrscheinlich überhört.

Was geblieben ist, ist das Läuten der Kirchenglocken und die selten fahrenden Züge. Sonst ist alle sehr leise geworden. Ich habe Ballermann nicht gern und wenn es sehr laut wird, fluchte ich. Aber diese Stille, die am Anfang wohltuend war, wirkt mittlerweile bedrohlich. Sie bedeutet Stillstand, Wohlstandsschwund und Unsicherheit.

Wir haben uns alle irgendwie arrangiert. Es bleibt uns auch nichts anderes übrig. Turnübungen werden zu Hause gemacht. Yoga Matten im Wohnzimmer ausgerollt. Brot selber gebacken. Man schneidet sich die Haare allein zu Hause wie meine Mutter oder ihre Cousine, beide fast 80 Jahre alt. Da es das erste Mal in ihrem Leben ist, sieht der Resultat dementsprechend aus. Aber ehrlich gesagt, wen kümmerts?! Dort wo man zu zweit und mehr lebt, wird einer zum Coiffeur erkoren und sammelt mit jedem Versuch Erfahrung. In den Videokonferenzen beobachte ich die neuen Frisuren und die Resultate diese Bemühungen. Nein, es ist noch nicht perfekt aber in der Not kann man vieles und bei einigen kommt einfach der Haargummi zum Einsatz. Meisten dann, wenn das Vertrauen in die Fähigkeiten der Liebsten in diesem Bereich eher begrenz ist. Ich versuche es auch bei mir selbst als Coiffeur aber sind wir ehrlich, auch bei mir gibt es sehr viel Platz für Verbesserung.

Der Nachbar meiner Mutter isoliert sich vollständig und verlässt das Haus gar nicht mehr. Er lässt sich alles liefern und sein Misstrauen gegenüber der Aussenwelt ist unbegrenzt. Meine unglaubliche Mutter hat es geschafft, sich in den letzten 3 Wochen ein neues Telefon und einen neuen Kühlschrank zu kaufen. Das ist doch ein interessantes Phänomen, dass die Gegenstände dann austeigen, wenn man sie am meistens braucht. Aus ihrem Kühlschrank ist ein unzuverlässiger Gefrierschrank geworden und zur normalen Kühlung war er plötzlich ungeeignet. Sie hat es geschafft, dass neue Telefon einzustellen und ihre PC wieder zum Laufen gebracht. Ich bin immer wieder erstaunt, wie sie es schafft neue Dinge zu erlernen und erfolgreich umzusetzen. Sehr oft dann, wenn es einfach wirklich sein muss, weil es ohne die Sachen oder die Fähigkeiten nicht geht. Meistens auch dort, wo sie sich vorher Jahre lang dagegen gewehrt hatte (meistens mit einem Spruch, dass man einem alten Hund keine neuen Tricks beibringen kann).

Ich glaube es geht uns allen so, wir müssen jetzt sehr viel lernen, improvisieren und neue Wege gehen. Es ist mit Frustration, Misserfolg und viel Zeitaufwand verbunden. Am Ende schaffen wir es. Irgendwie und immer neu. Das gibt mir Hoffnung.

Image source: http://unsplash.com

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