
Sie sind so nett. Ich suche 1500 Broadway, in der Mitte von New York im Herzen vom Times Square. Das scheint so einfach zu sein. Das Gebäude ist da und riesig aber ich kann den Eingang einfach nicht finden. Ich schaue ratlos und suchend umher und es vergeht kaum eine Minute da ein junger Mann mich anspricht.
Er sagt, dass ich verloren aussehe (das stimmt!) und fragt ob ich Hilfe brauche. ‘Ja ich brauche Hilfe!!’ denke ich mir. Er weiss nicht wo der Eingang ist, aber seine Überlegungen und Ratschläge sind gut, und ich finde danach schnell, was ich suche. Ich schätze seine Hilfe sehr und sein Zeitverlust war vielleicht 60 Sekunden. Aber was die 60 Sekunden bewirken ist einfach überwältigend. Ich fühle mich wohl in der Mitte von so vielen fremden Menschen und Autos. Ich fühle mich aufgehoben. Ich fühle, dass ich den Leuten nicht egal bin. Ich bin Teil einer grossen Gemeinschaft. So stelle ich mir Gastfreundschaft vor.
Das ist jetzt nicht die Ausnahme, sondern die Regel. New York kann unglaublich voll und hektisch sein und trotzdem erlebe ich, dass alle nett und geduldig zueinander sind, einander den Vortritt lassen, sich anlachen, hilfsbereit sind und Zeit haben für einen kurzen Schwatz. Sie sind sehr integrierend und ich habe hier nie eine Ausgrenzung erlebt. Dazu gehören kann man als Fremder sehr schnell. Man muss es nur selber wollen. Ich finde ihr Naturell und Umgang miteinander sehr sympathisch. Die Wahrheit ist, dass ich diese Mentalität nicht nur in New York sondern eigentlich an vielen Orten in der USA erlebe. Meine amerikanischen Kunden bedanken sich jedes Mal für meine Arbeit und man spürt, dass es ernst gemeint ist und sie dankbar sind, für das was ich für sie tue.
In Zürich erlebe ich das Gegenteil. Jemand fremden anzusprechen ist sehr gewagt. Zürich ist sehr ungeduldig und gilt ab und zu als rücksichtslos. Sobald an einer Kreuzung die Farbe wechselt und auf Grün schaltet und das erste Fahrzeug nicht gerade wie eine Rakete startet, wird gehupt. ‘Bitte’ und ‘danke’ sagen, wie man es so oft in New York hört, einfach die Tür aufhalten, damit die andere Person einsteigen kann und dann selber als letzter einsteigen, das gibt es in Zürich selten. Warum das so ist, weiss ich nicht, weil die Menschen in beiden Städten sehr fleissig sind, viel arbeiten, klug und innovativ sind. Aber irgendwie ist der Umgang miteinander in New York wärmer und zuvorkommender als in Zürich.
Ich habe Zürich sehr gerne und die Zürcher eigentlich auch. Ich hätte mir einfach gewünscht, dass sie im Umgang miteinander ein bisschen von dem was in New York gelebt wird übernehmen würden. Netter zueinander, netter und hilfsbereiter zu den Fremden zu sein. Als ich darüber nachdenke, wie ich es selber mache, muss ich leider feststellen, dass ich auch zulegen kann. Wirklich viel zulegen kann.
Lass uns doch einander gegenseitig anlachen, Hilfe anbieten. Ich fange gerne bei mir an. Danke New York für die Anleitung!!
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