Jeder kann Kochen ll

Auf meinem letzten Blog habe ich viele Rückmeldungen erhalten (https://michaelamerz.org/2024/01/26/jeder-kann-kochen/), “Jeder kann kochen”. Aus allen Feedbacks habe ich den Eindruck gewonnen, dass ich zu einer absoluten Minderheit der “Leute, die nicht gerne kochen”, gehöre. Offensichtlich betätigen sich viele mit Begeisterung in der Küche, lassen ihrer Kreativität freien Lauf, und Kochen ist für sie Entspannung und ein Ausgleich zum Arbeitsalltag. Ich hörte aufmerksam zu, und da ich mit hoher Empathie gesegnet bin, konnte ich es nachempfinden.

Dann ass ich mit einer meiner Kundinnen, einer Steuerchefin eines Unternehmens, zu Mittag, und auch sie sprach mich auf meinen Beitrag über Kochen an. Sie meinte, dass die von mir erwähnten Gründe, warum ich nie zum Mitkochen als Kind eingeladen wurde, nicht der wahre Grund sein können. Sie selbst ist mit einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen, die Magersucht hatte und wo Kochen so gut wie nicht existent war, und trotzdem kocht sie insbesondere asiatisch sehr gerne.

Ich habe darüber nachgedacht und aus meiner tiefsten Vergangenheit weitere Kocherlebnisse hervorgekramt. Keine Ahnung, wie alt ich war, vielleicht Anfang der Pubertät. Der Geburtstag meiner Mutter rückte näher. Meine Mutter liebte Sahnerollen. Wie ich auf die Idee kam, sie selbst herzustellen, weiss ich nicht mehr. Ich kaufte die erforderlichen Zutaten, bereitete den Teig zu und stutzte. Eine Rolle lässt sich ohne eine metallische Rolle, auf die man den Teig wickelt, nicht herstellen. Ich wusste, dass meine Mutter noch nie welche gemacht hatte. Ich suchte in Schachteln mit Weihnachtsgebäckformen, im Backofen. Nein, Metallrollen zum Wickeln wären in den Utensilien meiner Mutter nicht vorhanden. Mein Plan drohte an dieser Banalität zu scheitern.

Ich bin eine Kämpferin und seit meiner Kindheit kreativ darin, Probleme zu lösen. Bis meine Mutter kommt, waren es noch 3 Stunden. Die Formen irgendwo in dieser Zeitspanne zu kaufen, war ausgeschlossen. Die zweite Variante, von Nachbarin zu Nachbarin zu gehen, versprach ebenfalls wenig Erfolg. Womit könnte ich die Metallrollen ersetzen, fragte ich mich. Und es kam in den Sinn, dass meine Mutter für ihre Haare metallige Wickler benutzt. Ich suchte sie und fand sie. Sie waren ein bisschen zu kurz und der Durchmesser war grösser als bei gekauften Sahnenrollen und dazu noch hatten sie Löcher. Aber sie waren aus Metall und konnten den Zweck erfüllen.

Ich wusch sie erst und dann habe ich sie in kochendes Wasser desinfiziert. Dann habe ich sie sehr gut eingefettet. Dann wickelte ich den Teig rund um die Haarwickel und schob sie in den Ofen. Gut das Endprodukt sah gut aus, aber die Herausforderung war: wie kriege ich die Metallwickel aus dem fertigen Gebäck? 8 von 10, die ich gebacken hatte, sind zerbrochen.

Eine andere Technik musste her. Ich wickelte die Metallwickel in Gebäckpapier, über das Papier zog ich den Teig und rein in den Ofen. Der Erfolg war wieder bescheiden, mit dem Unterschied, dass ich von den 2 geretteten (die anderen zerbrachen) noch mühsam das Papier mit der Pinzette herausziehen musste und mir nicht sicher war, ob ich wirklich alles ausgezogen hatte.

Für weitere Versuche reichte es nicht mehr, da mir die Zutaten für den Teig ausgingen.

Ich schlug die Sahne, füllte die 4 geretteten Rollen und gab sie auf den Balkon. Jetzt musste ich aufräumen, die Wickel reinigen und mich auf Mutters Einkunft vorbereiten.

Mutter kam, ich wünschte ihr alles Gute zum Geburtstag und sagte, dass ich für sie als Überraschung etwas gebacken hatte. Ich ging zum Balkon und dachte, mich trifft der Schlag. Auf unserem Balkon waren Tauben. Mein Teller war unter einem Gitter, aber ausgerechnet auf dieses Gitter haben sich die Tauben gesetzt. 3 von den Sahnerollen waren durch ihre unappetitlichen Ausscheidungen verziert. Ich war enttäuscht. Ich brachte den Teller in die Stube und zeigte es der Mutter. Dass es niemand essen würde, war klar.

Mutter schaute es an und sagte: “Das sieht gut aus, Pech mit den Tauben – nächstes Mal lieber in den Kühlschrank. Aber woher hast du die Formen gehabt? Wir haben doch keine.”

Ich erzählte meiner Mutter, wie ich kreativ ihre Haarwickel benutzt hatte, und sie wurde richtig sauer. Sie schnauzte mich an: “Mach es nie mehr wieder.” Danach habe ich alles in einen Kübel entsorgt, und ich glaube, ich habe mir damals geschworen, nie mehr in meinem Leben zu backen.

Vielleicht war der totale Misserfolg auch ein Beitrag zu meiner Abneigung gegen das Kochen.

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