Wenn Bäume wie Streichhölzer brechen

Diesen Sommer wurde Zürich von unzähligen Unwettern heimgesucht. Angefangen hat es an einem Donnerstag im Juni mit Windgeschwindigkeiten von 130 km per Stunde. Die Sonnenstore wurden abgerissen, das Tomatenhaus weggeweht.

Eine Kollegin hatte mich gebeten, auf ihre Wohnung aufzupassen. Ich setzte mich ins Auto um nachzuschauen, ob bei ihr alles in Ordnung ist.

Nach einem halben Kilometer versperrte eine grosse umgefallene Tanne die Strasse. Der Linienbus stand unentschlossen da. Ich bog ab und auch hier lagen unzählige kleinere und grössere Äste auf der Strasse. Zumindest in der Wohnung war alles in Ordnung.

Ich machte mich auf die Weg zurück. Ich wusste, ich muss anders fahren als ich gekommen war, weil es rund um die Tanne problematisch sein könnte. Auch dieser Weg war mit abgebrochenen Ästen gesäumt. Und da war der nächste umgestürzte Baum. Er war quer über die Strasse auf das Dach eines 4×4 gefallen. Das Auto sah aus wie eine zerquetschte Zitrone. Der umgefallene Baum bildete einen kleinen Tunnel. Was mache ich jetzt, dachte ich? Fahre ich unten durch? Reicht das überhaupt? Oder muss ich jetzt rückwärtsfahren und dann noch einen anderen Weg nach Hause suchen?

Ich fuhr noch ein bisschen näher an den Baum und stieg aus. Ja, es reicht für die Durchfahrt und es bleiben sogar noch paar Zentimeter Luft. Ich fuhr langsam unten durch. Ein komisches Gefühl, aber es ging sich gut aus.

Eine Woche später kam ein halbstündiger Hagelschauer. Nachdem der Hagel aufgehört hatte, ging ich in den Garten, um den Schaden zu begutachten. Genau zu diesem Zeitpunkt setzte sich die haushohe Birke in der Nachbarschaft in Bewegung und fiel auf das Nachbarhaus. Da sie so nah an dem Haus gestanden hatte, lehnte sie sich nur an. Der Dachschaden war trotzdem beachtlich. Aber zumindest war niemand zu Schaden gekommen. Den Rest kann man reparieren.

Am Samstag sind wir mit meinem kleinen Jungen in den Wald hinter dem Haus gegangen. Wir mussten über umgefallene Bäume klettern. Das waren aber keine Haselsträucher, die dem Unwetter nicht standgehalten hatten, sondern grosse, mächtige Baume. Je mehr Schaden wir sahen, umso erstaunter waren wir.

Wieder eine Woche später wechselten Regen und Sturm mit kurzen sonnigen Abschnitten. Während eines solchen sonnigen Abschnitts zog ich die Turnschuhe an und rannte raus in Wald. Es war eine angenehme Temperatur zum Laufen, der Wald roch nach Erde und frischem Moos. Nach einer halben Stunde laufen verdunkelte sich der Himmel wieder. Ich war gerade bei der Hälfte meiner geplanten Route. Nach Hause beide Wege knapp 4 Kilometer. Ich lief weiter und die ersten Regentropfen landeten auf meiner Haut. Es war nicht unangenehm. Es war warm und der Regen kühlte. Das Laufen fühlte sich gut an. Ich lief weiter. Der Regen nahm zu, mittlerweile erinnerte es eher an eine intensive Dusche. Donner und Blitz waren keine zu hören. Da die Bäume riesig gross sind, war ich auf dem Waldweg teilweise sehr gut geschützt, nur dort wo weniger Bäume waren, bekam ich einen richtigen Wasserguss ab.

Mir gehen verschiedene Gedanken durch den Kopf und ich frage mich, ob ich mich richtig verhalte. Sollte ich lieber nur gehen? Oder ganz anhalten und warten? Ich fühlte mich nicht bedroht. Wenn es doch blitzen sollte, wären alle Bäume deutlich höher als ich. Aber Blitze sind nicht zu sehen.

Und plötzlich nehme ich so ein komisches Geräusch war. Wie wenn jemand ganz ganz langsam einen Baum ausreisst. Es muss da ganz in meine Nahe sein und es wirkt beängstigend. Ich halte an und dann sehe ich ihn. Ein Riese von einem Baum neigt sich; zuerst ohne Eile, dann plötzlich beschleunigt sich sein Fall und er donnert auf den Boden, fast parallel zu dem Weg, auf dem ich bin. Alle Äste und Blätter erheben sich noch mal und fallen dann endgültig. Danach herrscht wieder absolute Stille, nur der Regen ist zu hören. Das alles spielte sich in vielleicht 60 Sekunden ab.

Ich stehe da wie festgenagelt, unfähig weiter zu laufen. Ich verstehe nicht, warum der Baum neben mir in Knie gezwungen wurde. Kein Blitz, kein Donner. Die Tatsache, dass ich nicht verstehe warum, macht mir Angst. Ich schüttle mich und laufe nach Hause.

Wenn riesige Bäume wie Streichhölzer zu Boden fallen, bekomme ich es mit der Angst zu tun.

Leave a comment