Schweben auf einer Baggergabel

Dort, wo ich das Wochenende diese Sommer verbringe, gibt es viel Wald und Wasser. Das Wasser hat die Straße beschädigt, weshalb jetzt Drainagen gebaut werden, um das Wasser aus dem Wald unter der Straße hindurch abzuleiten. Das bedeutet, dass der Weg zu unserem Haus nun um eine unmögliche 35 km lange Umleitung verlängert wurde. Diese führt kurvig durch den dichtesten Wald, denn die frühere Abkürzung über die Bäche ist nun von geschützten Bibern zu einer Wasserlandschaft umgestaltet worden, die nicht einmal von Geländefahrzeugen durchquert werden kann. Unser winziges Dorf scheint daher am Ende der Welt in einer Sackgasse zu liegen, was die Bewohner kaum stört, außer wenn sie Besorgungen machen müssen. Besucher hingegen sind oft genervt, da die Umleitung schlecht ausgeschildert ist und nicht alle GPS-Systeme den Weg anzeigen.

Für meine Einkäufe nutze ich jetzt mein Fahrrad und überquere den Graben zu Fuß. Das hat bisher gut funktioniert, fühlt sich aber wie ein Hindernislauf an. Man fährt 500 m und dann heißt es plötzlich: Absteigen, das Fahrrad hochheben, einen anspruchsvollen Balanceakt vollführen – besonders schwierig mit dem Fahrrad auf der Schulter – und dann geht es weiter, bis zur Bäckerei.

Letze Sonntagmorgen, um die geöffnete Bäckerei zu erreichen, schwingte ich mich früh auf mein Fahrrad, um frische, duftende Brötchen für das Frühstück zu holen. Doch dieses Mal ist es nicht wie geplant abgelaufen . Auf halber Strecke steht mitten im Wald ein riesiger Bagger und mehrere Fahrzeuge auf der anderen Seite des Grabens. Der Bagger gräbt tief, und ich bin überrascht, so viele Arbeiter an einem Sonntagmorgen zu sehen. Der Graben ist breit und auch ohne Fahrrad auf der Schulter hätte ich kaum Chance, ihn zu überwinden. Mit dem Fahrrad auf dem Schulterblatt Illusion pur. Auf einer Seite des Grabens ist dichtes, dorniges Gestrüpp, das mir klar zu verstehen gibt: “Ich zahle es dir blutig, wenn du es wagst hier durchzukommen!» Die andere Seite ist mit Wasser gefüllt und der Graben neben der Straße ist ebenfalls breit. Also stehe ich da, neben meinem Fahrrad, und überlege, welche Überquerungsoption den geringsten Schaden verursacht. Umkehren oder durch den dichten Wald zu navigieren sind für mich keine Optionen.

Plötzlich hört der Bagger auf zu graben und der Fahrer winkt mir zu. Ich schaue ihn ungläubig an. Kann er mir helfen? Dann sehe ich, dass er die Bagger-Schaufel bis an den Rand des Grabens gestellt hat. Die Schaufel ist breit genug, dass ich sie wie eine Brücke mit meinem Fahrrad nutzen kann. Er macht eine Handbewegung in Richtung der Gabel und ich verstehe, dass er es ernst meint.

Ich steige auf die Gabel und mit seiner Hilfe überquere ich den ausgegrabenen Graben. Es fühlt sich an wie eine Szene aus Titanic, als ich zusammen mit meinem Fahrrad auf der ungesicherten Baggergabel über das riesige Loch schwebe. Das ist sicherlich streng verboten, aber ich bin unglaublich dankbar für seine Hilfe! Auf der anderen Seite angekommen, winke ich ihm zu. Er winkt zurück und beginnt wieder zu graben.

Die Moral dieser Geschichte mag je nach Betrachter unterschiedlich sein. Für mich wird dieses Erlebnis sicherlich in meiner Schublade der unvergesslichen Erinnerungen bleiben.

Genießt den Sommer!

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