Sie wurde dieses Jahr 70 Jahre alt. Sie ist weiterhin energiegeladen, emotional und sehr vereinnahmend. Sie kann viel lachen und viel streiten, so wie sie immer tat.
Das Einzige, was sich verändert hat, ist ihre Gesundheit. Da und dort tut es weh, die Krankheiten kommen häufiger und bleiben länger. Das Alter halt.
Ich rief sie an, um ihr zum Geburtstag zu gratulieren und sie erzählte mir die neueste Geschichte aus ihrem Leben.
Sie musste zum Arzt und der hat verschiedene Untersuchungen angeordnet. So ging sie zur Blutentnahme, zum Röntgen. So alles, was man zu einer korrekten Diagnose braucht, hat sie gemacht. Nach einem Tag voller Untersuchungen endlich wieder in der Praxis des Hausarztes angekommen, stellte sie fest, dass sie irgendwo die Handtasche vergessen haben musste. Sie drehte sich um und ging zurück zum Untersuchungszimmer, da sie überzeugt war ihre Handtasche mit Schlüsseln, Geld und Ausweisen dort liegen gelassen zu haben. Beim ersten Untersuchungszimmer fand sie nichts und ihre innere Unruhe wuchs. Im zweiten Untersuchungszimmer war ihre Tasche ebenfalls nicht und sie spürte Angst, weil sie um die Wertsachen bangte. Auch beim Röntgen ist nichts liegengeblieben oder jemand hat es arglistig mitgenommen, dachte sie in ihrer steigenden Verzweiflung. Aber sie gab nicht auf und versuchte es noch bei der ersten Aufnahmestelle. Sie fragte, ob jemand vielleicht ihre Tasche dort abgegeben hatte und beschrieb die Tasche in allen Einzelheiten.
Die mollige Dame hinter dem Tisch schaute sie ruhig an und hörte geduldig bis zum Ende ihren Ausführungen zu. Dann fragte sie : “Meinen sie die Tasche, die ihnen über den Schultern hängt?”
Jaja, die Handtasche war die ganze Zeit da und hat die Odyssee mit Tante Oli mitgemacht. Tante Oli übermannt von einem Gefühl des absoluten Glücks zückte das Portemonnaie aus ihrer “gefundenen” Handtasche und gab diese Botschafterin der guten Nachrichten reichlich Trinkgeld.
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