
Finanzmärchen: Money Makers – Ein süßes Märchen als Ferienlektüre oder ein andere Märchen – Eine Frage der Chemie mit einer starken Frauengeschichte
Kurz vor den Ferien war ich dabei, mir Bücher zum Mitnehmen auszusuchen. Wie treffe ich die Auswahl? Ich öffne ein beliebiges Buch irgendwo und lese eine Stelle. Wenn mich der Stil und die Erzählung nicht fesseln können, lege ich das Buch zur Seite. Eine zweite Chance gibt es nicht. Wer nicht flüssig und spannend erzählen kann, hat in meiner Ferienlektüre nichts zu suchen.
So bin ich per Zufall bei dem Buch „Money Makers“ von Harry Bingham gelandet. Es ist ein über 700 Seiten dickes Finanzmärchen. Falls ihr folgende Fragen mit einem klaren Ja beantworten könnt, dann empfehle ich euch, euch das Buch zu besorgen und zu lesen:
Wolltet ihr schon immer wissen, was ein Investmentbanker und Börsenhändler verdient? Bevorzugt ihr temporeiche und einfallsreiche Geschichten? Habt ihr gerne, wenn das Gute am Ende siegt und das Böse, Unmoralische bestraft wird (mindestens ein bisschen)? Ist es euch lieber, wenn die hübschen und reichen Charaktere auch moralisch einwandfrei sind und die bösen, hinterhältigen erbärmlich aussehen? Findet ihr Grimms Märchen gut? Habt ihr es gern, wenn ein Hindernis dem nächsten folgt und wenn, sobald das Ziel in Reichweite scheint, ein neues Hindernis auftaucht?
Falls die Antwort ja lautet, dann ist dies unbedingt ein Buch für euch. Es liest sich flüssig, und ich hatte Mühe, es aus der Hand zu legen, und war zu feige, einfach die letzten Kapitel zu lesen. Ich musste einfach wissen, wer am Ende die Millionen einsackt, und konnte meine Finger nicht von den Einblicken in das Leben der reichen, klugen, fähigen und arbeitsamen Protagonisten lassen. Während der drei Tage Ferien, in denen ich das Buch gelesen habe, bin ich allen um mich herum ziemlich auf die Nerven gegangen. Das Buch schleppte ich überall mit hin und sobald es die Situation erlaubte, öffnete ich es und las. Und bei 700 Seiten handelt es sich um kein kleines Büchlein!
Das Einzige, was mich etwas irritiert hat, war, dass bei all den Fiesheiten und Straftaten, die im Buch vorkommen, am Ende eine zuckersüße Auflösung der Geschichte präsentiert wurde. Aber so sind halt die Märchen. Ebenso, dass ein bösartiger Charakter, um den man sich nicht einmal die Schuhe geputzt hätte, es schafft, sich in ein Lämmchen zu verwandeln, das sich gemeinnützig in den Dienst höherer Aufgaben stellt.
Sofern ihr jedoch (Finanz)märchen nicht gern habt, habe ich ein zweites Buch für euch: Bonnie Garmus’ Lesson in Chemistry. Auch dieses Buch (nur 460 Seiten) lässt sich kaum aus der Hand legen. Für Leser, die starke und kluge Frauen schätzen, ist dieses Buch sehr geeignet. Die Geschichte ist nicht süß (ausser das Ende , das ist unglücklicherweise und unnötigerweise super süss), und Märchen sehen anders aus. Die Erzählung ist klug, nah an der Realität, und die Schicksale sind – wie so oft im Leben – frustrierend und ungerecht. Aber ich habe mir sehr gewünscht, dass es die Hauptfigur Elizabeth Zott nicht nur als Fantasiefigur gegeben hätte, sondern dass sie real wäre und ich ihr begegnen könnte. Noch besser wäre es, wenn es in unserer Welt mehr solche Elizabeth Zotts gäbe, und noch besser wäre es, wenn unsere Welt von Frauen wie Elizabeth Zott regiert würde.
Und falls ihr nur Zeit für ein Buch habt, dann ist Bonnie Garmus’ Buch die bessere Wahl, obwohl beide sehr unterhaltsam und spannend sind, und man bei beiden (sofern man will) einiges lernen kann. Und nicht zuletzt – Julia, danke für das Buch!
Viel Spaß und allen schöne Ferien!