Die Kinder beschäftigen sich intensiv mit dieser Frage, wenn sie zwischen 5 und 8 Jahre alt sind. Kürzlich habe ich drei etwa 6 jährige Jungs gehört wie sie sich darüber unterhalten haben, was nach dem Tod passiert. Der grössere sagte, dass man in den Himmel kommt und dass alle die, die schon vorher starben, einem dort begegnen. Der zweite sagte, dass die Toten dann zu einem weit entfernten Stern reisen, auf dem sie dann wohnen und der Dritte meinte, dass der Tod ein Ende ist und es danach nichts mehr gibt. Drei Weltanschauungen der Eltern prallten aneinander und entluden sich in einer heftigen Diskussion.
In unserer Gesellschaft wird der Tod ausgelagert und negiert. Es gibt ihn nicht, er wird verdrängt, selten thematisiert und wenn schon, dann haftet ihm etwas Tragisches, Grauenhaftes an, als ob nur Versager stürben.
Als meine Grosstante mit 95 starb, hatte sie nur wenige Verwandte. Und da ich ihr sehr nahe stand, entschied ihr einziger Sohn, dass er sie kremieren wird und mit dem Begräbnis wartet, bis wir aus der Schweiz kommen. An Ostern war es soweit. Ich, meine zwei Töchter, damals 10 und 9 Jahre alt, meine Mutter und der Sohn meiner Grosstante versammelten uns auf dem Friedhof am Grab meines Grossonkels, der 30 Jahre zuvor an Herzversagen hinter dem Lenkrad eines städtischen Buses gestorben war. Ich kannte ihn als gutmütigen, immer gut angelegten Menschen, der Lachen, gutem Witz und gutem Essen sehr zugeneigt war. Nach seinem Tod hatte sich meine Grosstante die Pflege seines Grabes zur Hauptaufgabe gemacht und ist jeden Tag bei jedem Wetter zu seinem Grab gepilgert.
Bei diesem Grab standen wir jetzt alle versammelt. Der Friedhof war uralt mit grossen, üppigen Bäumen. Der Sohn meiner Grosstante hatte eine kleine Schaufel und die Urne mit der Asche meiner Grosstante dabei. Er begann ein Loch zu graben. Was nach einem einfachen Vorhaben klang, erwies sich als Schwerstarbeit. Für diese Arbeit war er aber nicht mit dem richtigen Werkzeug ausgerüstet. Das alte Grab war durch die Wurzeln der Bäume verwachsen. Eine kleine Schaufel hatte da wenig Chancen. Er versuchte es immer wieder, fluchte und schwitzte, aber das alles nutzte nichts. Das Geld, das er sich für das Ausgraben des Grabes hatte sparen wollen, rächte sich bitter. Das Loch hatte eine Grösse für 10 Golfbälle, aber die Bestattung einer Urne war schlechthin unmöglich. In dem Moment brach der Aufsatz der Schaufel und er schmiss wild fluchend den Rest der Schaufel auf das Grab. Und so kam es, dass die Asche meiner Grosstante zum letzten Mal mitgekommen ist, weil an diesem Tag kein Begräbnis stattfand. Seitdem sind meine beiden Töchtern der Überzeugung, dass Begräbnisse eigentlich etwas Lustiges sind. Und das ist gut so.