Fechtgesellschaft Basel

Ich wurde zum Fechten nach Basel eingeladen. Mein Pulsschlag erhöhte sich als ich die Einladung sah. Kann ich es noch?

Ich hatte vor 20 Jahren an der Uni in Prag und Zürich gefochten. Die Fechtausrüstung in Prag war uralt. Nur ein einziges Mal hatte ich am elektrischen System angeschlossen gefochten. Dagegen war der Fechtsaal der Uni Zürich der genialste Fechtsaal, den man sich vorstellen kann. Er war ganz oben im Turm und zum Warmlaufen sind wir draussen auf dem Balkon rund um den Turm gelaufen mit Sicht auf die Alpen und auf den Zürichsee.

Das alles ist 20 Jahre her. Ich bin gespannt. In Basel zeigte sich schnell, dass die gelernten und stundenlang geübten Bewegungsabläufe eingegraben sind und ich sie nicht verlernt habe. Schlimmer ist es mit der Waffentechnik. Davon ist davon nicht viel übrig geblieben. Auch die zurzeit sehr gute Kondition kann es nicht kompensieren. Ich kassiere eine Niederlage nach der anderen. Ich schwitze, kämpfe und es ist haargenau wie vor 20 Jahren. Als Geschenk trage ich ein Diplom, mehrere blaue Flecken auf den Oberschenkeln (ebenfalls wie vor 20 Jahren) und einen grauenhaften, fast eine Woche andauernden Muskelkater im rechten Bein (bin ja Rechtshänderin) nach Hause. Danke Fechtgesellschaft Basel für Reminiszenz an die Jugend.

Die wichtigste Lektion, die ich durch das Fechten gelernt habe, liegt fast 30 Jahre zurück. In der ersten Woche, als ich mich damals in Fechtklub angemeldet hatte, fand am Samstag ein Fechtturnier statt. Es gab zu wenig weibliche Teilnehmerinnen und darum hatte mich der Trainer aufgefordert mitzukommen. Ich konnte nichts. Nicht mal die Waffe richtig halten. Der Trainer erklärte mir kurz, was ich mit dem Florett machen musste und auf welche Köperfläche ich stechen darf, um Punkte zu erzielen. Seine Schulung dauerte 5 Minuten. Ich stand auf der Planche mit dem Florett in Hand in uralter Ausrüstung und farbigen Kniesocken (eine wirklich Farbsünde bei einem Fechtturnier!!). Und meine Gegnerin war eine Polin mit modernster Ausrüstung. Elegant und graziös in Weiss, so wie man es von Fechtern erwartet. Wir fingen an und ich gab mein Bestes und kaum in Bewegung leuchtete schon das Licht auf, das Treffer meldete. Ich war enttäuscht darüber wie einfach ich zu besiegen war. Da ich eine Kämpfernatur bin, habe ich weiter, noch verbissener gekämpft. Und schon wieder leuchtet es und noch mal und wieder und nach 5 Minuten war der ganze Kampf schon vorbei. Ich war masslos enttäuscht. Nicht einmal einen Treffer hatte ich geschafft, dachte ich. Und in dem Moment stand der Trainer neben mir und klopfte mir auf den Rücken und sagte, dass ich es sensationell gemacht hatte. Ich dachte, ja klar, man muss die Leute immer loben, um sie aufzubauen, aber das da war mir zu viel. Ich sagte ihm “Bitte aufhören, ich weiss, dass ich verloren habe, was ist daran sensationell??“

Er schaute mich verwirrt an. “Was heisst verloren Mädel? Du hast doch 5 zu 0 gewonnen. Für eine totale Anfängerin konnte man das gar nicht besser machen.“

“Was, ich habe gewonnen?“, fragte ich verdutzt.

“Ja klar“, bestätigte er seelenruhig. “5 zu 0 hast du gewonnen, die Polin kann nichts, aber das ist schon ein super Resultat. Und übrigens, wenn das grüne Licht leuchtet, hast du sie getroffen, das hatte ich vergessen dir zu sagen.“ meinte er noch und eilte weg. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich gewonnen habe.

Nein, ich war nicht ein verstecktes Fechtgenie. Die Polin konnte wirklich nichts und ich hatte Anfängerglück. Alle anderen Kämpfe an diesem Tag verlor ich. Gelernt habe ich, dass man die Gegner nie unterschätzen sollte, aber auch nicht überschätzen, egal was für eine tolle Ausrüstung sie  haben. An diese Devise halte ich mich bis heute.

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