Die Mehrwertsteuer scheint wie so vieles von aussen betrachtet als trocken und langweilig. Wenn man sich in einer Materie auskennt, beginnt sie spannend und oft auch sehr unterhaltsam zu sein. Ich habe in den letzten Jahren viele unglaubliche Geschichte miterlebt, die ihren Anfang im Bereich Mehrwertsteuerberatung nahmen.
Am spannendsten wird es bei Revisionen durch die Steuerverwaltung. So eine Revision löst auch bei den gut organisierten, sauber dokumentierten und sich korrekt verhaltenen Unternehmen einiges an Aktivitäten aus. Jeder will doch sicher sein, dass die Revision schnell und unproblematisch über die Bühne geht und dass am Ende keine Aufrechnung entsteht. Insbesondere hektisch wird dann das Handeln bei Gesellschaften, die vielleicht nicht alle Pflichten bis zum Buchstaben umgesetzt haben. Es hapert an Vollständigkeit der Umsatzabstimmung, es fehlen Zugriffe zu Systemen, die Dokumente sind unauffindbar, oder gar nicht in der Schweiz aufbewahrt.
Ich hatte einmal einen Kunden, dieser hatte sämtliche Unterlagen in Grossbritannien aufbewahrt. Dagegen ist nichts anzuwenden sofern die Gesellschaft gewährleisten kann, dass im Falle einer Prüfung die Unterlagen dem Steuerinspektor vor Ort in der Schweiz vorgelegt werden können. Das war in diesem Fall einfacher gesagt als getan. Die Gesellschaft hatte in den letzten paar Jahren mehrere Umstrukturierungen hinter sich gebracht, die Fluktuation war hoch und ich als externe Beraterin hatte mehr internes und historisches Knowhow im Kopf als die frischgebackene Steuerverantwortliche. Es hat mir richtig Leid getan.
Viele Unterlagen waren gar nicht auffindbar. Das hatte vor allem damit zu tun gehabt, da das Aufbewahrungssystem offensichtlich kein System war, sondern eher chaotisch und zufällig zu Stande kam. Der Inspektor wollte Kreditorenbelege und Exportpapiere sehen und wir konnten keine vorlegen. Er war unglaublich geduldig und nachsichtig, aber eines Tages als er wieder kam und die versprochen Unterlagen wieder nicht da waren, sagte er: „wenn die Unterlagen am nächsten Montag nicht da sind, wird es eine Aufrechnung geben!“
Das hektische Suchen hatte in den Tagen nach seinem Abgang den Höhepunkt erreicht. Und hatte funktioniert. Mehrere Kisten mit Unterlagen sind in Grossbritannien zum Vorschein gekommen. „Wir haben gewonnen!“ jubelte die Gesellschaft, “lasst die Kisten in Grossbritannien verpacken und schickte sie umgehend in die Schweiz.“
Es war Donnerstag und die Kisten waren nicht da. Freitag und die Kisten waren immer noch nicht da. Am Samstag waren wir der Verzweiflung nah, da am Montag die festgesetzte Frist ablaufen wird. Die Suche nach den Kisten begann. Und man fand die Kisten!! Aus unerfindlichen Gründen landeten sie in Afrika…
Anstelle die Destination mit Switzerland zu bezeichnen, wurden sie mit Swaziland angeschrieben. Ich musste dann am Montag all meine Glaubwürdigkeit hinlegen, um den Steuerinspektor von dieser unglaublichen Geschichte davon zu überzeugen. Und die Kisten kamen gut erholt am Mittwoch aus Swaziland in der Schweiz an. In ihnen die fast vollständigen Unterlagen. Eine Aufrechnung hat es fast kaum gegeben.
Dieser wahre Krimi hat sehr vielen Leuten einen erhöhten Adrenalinwert beschert. Langeweile sieht anders aus!