
Ich liebe es, in Zeiten der Digitalisierung die Papierzeitung zu lesen. Ja, ich weiß, vielleicht wäre es ökologischer, es nicht zu tun. Immerhin, das ist das letzte Jahrhundert. Dennoch liebe ich es.
Morgens, wenn ich zum Bahnhof gehe, hole ich mir die Zeitung aus dem Briefkasten und beginne bereits auf dem Bahnsteig zu lesen.
Bei der Papierzeitung gibt es oft unerwünschte Papierwerbung, die ich meist sofort im Altpapier entsorge. Auch diesmal: ein Möbelwerbeprospekt! Brauche ich nicht, will ich nicht. An der Bahnsteigkante angekommen, gehe ich, gut erzogen und umweltbewusst, zum Papierabfallkorb und werfe die Werbung hinein. Weg ist sie. Doch dabei rutscht mir auch die Zeitung aus der Hand und landet über der unerwünschten Werbung im Abfall. Wie ungeschickt von mir! Ich bin untröstlich, aber als Kämpferin gedenke ich nicht aufzugeben.
Ich beuge mich in den Müllcontainer, doch er ist hoch und fast leer, und ich bin klein und erreiche meine ungelesene Zeitung nicht. Meine Hand streckt sich, erfasst jedoch nur Luft; das erste Papierblatt ist weit weg. So geht das nicht, denke ich mir. Ich ziehe meinen Rucksack an und strecke mich weiter. Ich bin elegant in pink gekleidet – es muss ein bemerkenswerter Anblick sein, eine ältere Dame im Abfalleimer zu sehen.
Es kommt noch schlimmer: Da es nicht anders geht, stelle ich mich auf meinen Rucksack, um tiefer in den Müll zu greifen. Fast ein Drittel meines Körpers steckt im Altpapiercontainer. Mein Badge, das oben an meinem Kleid hängt, verschiebt sich durch meine Bewegungen und fällt ebenfalls in den Abfall. Ich fluche! Aber das bringt mir weder die Zeitung noch das Badge zurück.
Ich wäre bereit, in den Container zu steigen, aber er ist zu schmal und zu tief, als dass dies erfolgversprechend wäre. Ich muss beim ursprünglichen Vorgehen bleiben: so tief wie möglich in den Container zu greifen. Nach weiteren Versuchen gelingt es mir nach etwa 10 Minuten, sowohl die Zeitung als auch das Badge zu fischen. Mein Zug ist längst abgefahren, mein Kleid ist zerknittert, von Eleganz keine Spur. Aber mein Badge hängt wieder an seinem Platz, und ich halte meine Zeitung in der Hand.
Trotz all dieser Nachteile werde ich die Lektüre meiner morgigen Zeitung in Papierform fortsetzen, solange es sie noch gibt.